So weit, so gut? Keineswegs! Die deutsche Finanzwirtschaft hat lediglich zugesagt, als Eigenbeitrag zum zweiten Paket griechische Anleihen im Wert von 3,2 Mrd. Euro zu refinanzieren sofern diese bis 2014 auslaufen. Davon kommen allerdings 1,2 Mrd. Euro von Kreditinstituten, die im Wesentlichen von staatlicher Alimentierung leben. Zudem kommt die deutsche Beteiligung ein Jahr zu spät.
Weil sich Deutsche Bank, Commerzbank und Landesbanken vielerorts von ihren Griechenlandanleihen getrennt haben, gleicht die deutsche Auseinandersetzung darüber eher einer Phantomdiskussion. Hinzu kommt die anhaltende Unsicherheit, welche Beteiligungssummen durch ähnliche Zusagen aus anderen Ländern wie Frankreich, Italien und vor allem von griechischen Finanzgesellschaften angeboten werden. Das Ziel der EU, 30 Milliarden Euro durch private Beteiligung zu erreichen, erscheint in weiter Ferne!
Dagegen bestätigen die politischen Entwicklungen der vergangenen Wochen in Griechenland die Befürchtungen, die man realistischerweise haben muss angesichts eines klientelistisch verwahrlosten politischen Systems. Weder ist es gelungen, die Gewerkschaften mit ins Boot zu nehmen. Ihre partikularistische Interessenpolitik bleibt Teil des Problems, statt sich als Teil der Lösungen neu aufzustellen.
Hinzu kommt, dass trotz wiederholter Versuche seitens von Premierminister Papandreou, angesichts der Ernsthaftigkeit der wirtschaftlichen Situation und ihre sozial brisanten Auswirkungen, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, an der Engstirnigkeit der Oppositionsparteien scheitert.
Angesichts dieser Ausgangslage, ergeben sich zwei zentrale Herausforderungen. Wie sieht eine wirtschaftspolitische Perspektive für Griechenland aus, die im günstigsten Fall über die Lösung akuter Budget-Probleme auch auf Wachstum, Investitionen und Beschäftigung hinauslaufen könnte?
Allmählich dämmert es den Verantwortlichen beim IWF in Washington, der EZB in Frankfurt und der Brüsseler EU Kommission, dass Griechenland dringend ein Konjunkturprogramm und Investitionsperspektiven braucht. Deshalb wird nun – mit einem Jahr Verzögerung allerdings – über das Vorziehen von EU Mitteln aus den Strukturfonds (€15 Milliarden) nachgedacht, die dem Land bis 2013 zustehen. Diese können aber nicht abgerufen werden, weil Athen z.Zt. den sog. Kofinanzierungsanteil nicht leisten kann. Hier beist sich der auferlegte Sparzwang sprichwörtlich ins eigene Fleisch!
Die Sektoren, die jetzt noch überlebensfähig sind, und Wettbewerbsnachteile aufholen müssen in Griechenland, sind Tourismus, grüne Technologien, Handelsschifffahrt, Bankenwesen in Südosteuropa, Exportfähigkeit agrarischer Produkte und die Einrichtung von Beschäftigungsgesellschaften für Jugendliche. Hierzu gibt es erste Hinweise auf einen sog. Herkulesplan, dessen Formulierung und Finanzierungsarchitektur gegenwärtig in Brüssel ausgearbeitet wird.
Die zweite Herausforderung betrifft die Kernfrage des griechischen Bankenwesens: Was muss sofort gegen die anhaltende und steigende Kapitalflucht getan werden? Die Kapitalflucht in Griechenland hatte 2010 ein Ausmaß von mehr als €30 Milliarden erreicht. Beim Thema Kapitalflucht ist es aber wie mit dem Tanz, d.h. ‚It takes two to tango‘. Hier ist dringend zweierlei notwendig:
(i) Kapitalverkehrskontrollen der griechischen Zentralbank (auch wenn das politisch umstritten ist innerhalb des EU Binnenmarktes);
(ii) Kooperation zwischen den griechischen Steuerbehörden und der Finanzpolizei mit ihren Schwesterorganisationen in Italien, Luxemburg, Lichtenstein, Schweiz, Zypern und Deutschland; dort wo die meisten Geldtransfers gegenwärtig hingehen!
Schließlich haben die sozialen Konsequenzen der griechischen Misere und die gewaltsamen Proteste der vergangenen Woche in Athen gezeigt, dass eine Erweiterung des Blickwinkels absolut notwendig ist. Aus der Sicht von Finanzinstituten, Ratingagenturen und Spekulanten geht es primär um die Sicherstellung von Anleiheinvestitionen in Griechenland. In diesem Tunnelblick wird allerdings geflissentlich außer Acht gelassen, dass die Sicherstellung der griechischen Demokratie und gesellschaftlichen Stabilität akut gefährdet sind!
Es ist schon frappierend, mit welcher Unverfrorenheit kapitalhörige Eliten in Brüssel die Demokratie innerhalb der Eurozone zu schleifen trachten! So kündigte dieser Tage Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker an, dass Griechenland eine Zeitlang einen Verlust seiner Souveränität hinnehmen müsste. "Die Souveränität der Griechen wird massiv eingeschränkt", sagte der Luxemburger Premierminister und kündigte die Entsendung von Fachleuten aus der Euro-Zone an.
Solche Aussagen legen vielen Griechen nahe, dass ihr Land in ein Protektorat verwandelt wird. Hinzu kommt der anwachsende Verdacht, dass die demokratisch legitimierten Autoritäten in Athen nicht mehr die politische Entscheidungshoheit in der Hand halten. Öffentlichen Belehrungen wie von Herrn Juncker sind keineswegs dazu angetan, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Papandreou Regierung zurückzugewinnen. Und das europäische Ansehen wird damit ebenso nachhaltig geschädigt; nicht nur in Athen!
Jens Bastian
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